Die Krankheit der westlichen Welt

Krank- oder Gesundsein ist eine tiefe Frage, die nur die eigene Seele für dich selbst beantworten kann. Gerne redet ein Arzt ein Kranksein ein, um davon zu profitieren. Beginne das Erforschen der Frage nach dem Gesundsein, indem du laut innerlich zu dir sagst: «Ich bin gesund.» Höre die Resonanz dieser Worte in dir selbst. Klingt es für dich stimmig?

Prüfe ebenso die Aussage für das Kollektiv, für uns Menschen der ‹westlichen Welt›. Sind und leben wir gesund?

 

Die Antwort auf eine tiefe Frage kommt vor allem als Gespür. Ist es dir gelungen, die Antworten zu spüren?

 

1. Wir haben das Spüren verlernt.

 

Spüren ist ein Sinn wie Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten auch. Spüren ist unsere ‹feinstoffliche›, ‹seelische› Wahrnehmung und ebenso objektiv wie die Eindrücke der fünf ‹physischen› Sinne. Das aktuelle Gefühlsgemisch eines nahen Menschen ist spürbar, der Wille, den ein anderer auf dich richtet, die Präsenz eines Menschen, die emotionale Dichte einer Behausung und vieles mehr. Spüren ist ein Sammelbegriff für die höheren Sinne des Menschen. Jeder Mensch verfügt über sie. Spüren kann jedoch ebenso verstopft sein wie die Nase oder belegt sein wie die Zunge. Die westliche Wissenschaft leugnet das Spüren und so gelangen diese Eindrücke durch Erziehung überwiegend in das Unbewusste.

 

Es ist ein Unterschied, das Gefühl eines Mitmenschen zu spüren und das eigene Gefühl zu fühlen. Es ist möglich, selbst Liebe in sich zu fühlen und Angst und Wut beim anderen zu spüren. Spüren ist eine Wahrnehmung und Fühlen die Färbung und damit der Ausdruck des eigenen Gemüts. Dein eigenes Gefühl machst du selbst und niemand sonst. Der westlich geprägte Verstand möchte die Gefühle gerne machen, doch in der Tiefe des Seins und auf Dauer ist es allein die eigene Seele, die das eigene Gefühl macht. Das kollektive Denken urteilt über das Fühlen, hebt Freude und Liebe als erwünscht hervor und lehnt Angst, Wut, Leid und Traurigkeit in sich selbst und bei anderen ab. Da das eigene Gefühl nicht stets den kollektiven Anforderungen entspricht, verdrängen wir das Fühlen und sind überwiegend im Denken.

 

2. Wir denken viel und fühlen wenig.

 

Der westliche Mensch hat neben dem Spüren auch das Fühlen verlernt. Frage einen Nächsten, welches Gefühl er gerade fühlt, aus welchen Anteilen sein Gefühlsgemisch in diesem Augenblick zusammengesetzt ist. Viele westliche Menschen denken sich ihr Gefühl und fühlen dabei gar nicht. Viele können nicht zwischen Denken und Fühlen unterscheiden. Viele möchten ihr wahres Gefühl gar nicht fühlen, denn nun würden sie feststellen, dass es in vielen Augenblicken von der Norm abweicht, die uns überall, in allen Medien, als Antlitz der Freude entgegengehalten wird.

 

Die westliche Wissenschaft ordnet Fühlen als Gehirntätigkeit dem Geist unter. Fühlen steht jedoch gewissermaßen neben dem Denken, hat einen eigenen Ausdruck, eine eigene Weisheit.

Ein Mensch ist erst heile, wenn sein Denken und Fühlen nebeneinander in Liebe zusammenwirkt, gleichwertig und gleich weise im inneren Ansehen. Allein das Fühlen weiß, was die eigene Seele als gut und schlecht erachtet. Alles ‹gut› und ‹schlecht› des Verstandes sind Etiketten, die unser Denken an nahezu alles und jeden heftet, eine Prägung im eigenen Gedächtnis, die der Vergangenheit entstammt, die weitgehend von kollektiven Mustern bestimmt wurde und die die augenblickliche Weisheit der eigenen Seele außer Acht lässt.

 

3. Unsere eigene Seele ist uns fremd.

 

Der westliche Mensch lebt in innerer Zerrissenheit, in einem nahezu unentwegten Kampf zwischen Denken und Fühlen wie in einer zerrütteten Ehe, in einem Hin und Her zwischen Müssen und Mögen, zwischen der ToDo-Liste des Verstandes und den Wünschen des Körpers, zwischen dem, wie ich es haben möchte und dem, wie es ist, zwischen Arbeit und Urlaub, zwischen der ‹äußeren Welt› und der ‹eigenen Welt›.

 

Das eine, alle Wesen verbindende Selbst ist weise und liebevoll und die eigene Seele ist dem Selbst nahe. Wir Menschen haben vom Leben einen freien Willen erhalten und so können wir uns auch von uns selbst abwenden, können Dinge gegen unser Gewissen tun, uns gegen unsere menschliche Natur verhalten, unmenschlich sein. Die Erde ist eine Erfahrungswelt für uns menschliche Seelen. Wir selbst richten die Lebensschule und damit die Welt ein. Niemand anderes als der Mensch hat ‹die Welt› so erschaffen, wie sie heute ist. Und wir könnten auch ganz anders leben.

 

4. Wir wissen nicht mehr, was wahr ist.

 

Weil wir so viel in den Räumen des Denkens umherirren, weil wir, ganz physisch gesprochen, im Kopf sind und nicht im Herzen, nicht im Rumpf und weit davon entfernt sind, alle diese drei physischen Lebenszentren im Gewahrsein zu verbinden, weiß der westliche Vater heute seinem Sohn nicht mehr zu erklären, was für ihn wirklich und wahr ist.

 

Dabei ist ‹wahr› zunächst ganz individuell das, was du in diesem Augenblick für ‹wahr› nimmst, was du wahrnimmst. Das in diesem Augenblick gefühlte Gefühl ist wahr, der leichte Schmerz in der linken Schulter, der Anblick der physischen Augen, das Geräusch, das in die Ohren schallt, der Gedanke, der in diesem Augenblick in dir auftaucht. Es ist wahr, dass du eben diesen Gedanken in dir hattest, nicht unbedingt wahr ist sein Inhalt. Du kannst denken: «Ich bin gut drauf», «Ich bin reine Liebe», «Ich bin der Kaiser von China». Sehr vieles Denken ist kein Wahrnehmen, sondern nur Bilder an den Wänden in den vor allem kollektiv errichteten Räumen des Denkens, in denen wir unser eigenes mentales Wohnzimmer eingerichtet haben.

 

5. Wir leben von uns selbst abgelenkt.

 

Dieses ist eine tiefe Frage, prüfe sie erneut im eigenen Spüren: Wie nahe bist du dir selbst? Wie oft am Tag lenkst du dich vom eigenen Wahrnehmen, vom wahren Fühlen, vom Spüren, vom Sehen und Hören der Gedanken in dir und vom Empfinden deiner körperlichen Eindrücke ab? Was stellst du alles an, damit du dir selbst gegenüber unbewusst bleibst: das Radio, das Internet, die Schokolade, das viele Einkaufen und Essen, die Gespräche über diesen und jenen aber nicht aus dir selbst und aus dem Menschen vor dir heraus.

 

6. Unser Verhalten und unsere Gefühle sind aufgesetzt.

 

Der freie Wille ermöglicht es, unsere Stimmung willentlich zu heben, unseren Körper in aufrechte Bewegung zu versetzen und Wohltönendes zu sprechen, auch wenn es nicht der seelischen Stimmung, der freien Bewegung des Körpers und dem wahren inneren Glauben entspricht. Auf Dauer ist das aufgesetzte Leben anstrengend, ermüdend und frustrierend. Der aufgesetzte Mensch muss sich fortwährend mit horizontaler Energie füttern: Zucker, Energy-Drinks, Kaffee, schelle Kohlenhydrate, bunte Bilder, schöne Anblicke, eindringliche Musik, über andere urteilen, Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sehr viel elektrische Energie für all die Geräte, die einen vom eigenen Wahrnehmen ablenken, sexuelle Bilder und Filme, die die aufgestaute männliche Energie entladen. Der westliche Mensch nimmt Energie von anderen, von anderen Kulturen, von der Natur und Mutter Erde, ohne sich dessen bewusst zu sein. Das maßlose Nehmen ist dem westlichen Menschen selbstverständlich geworden. Prüfe es wieder in dir selbst: Wie weit folgst du deinem Gewissen? Wie treu bist du dir selbst? Wie echt verhältst du dich gegenüber deinen Mitmenschen?

 

7. Wir nehmen von anderen Kulturen und der Erde mehr, als wir geben.

 

Der Weg zur Heilung unseres kollektiven Gemüts und Verhaltens auf Erden beginnt mit dem wahren Erleben. Wir haben unser Bewusstsein auf Sehen, Hören und Denken verengt und Riechen, Schmecken, Tasten, körperliches Empfinden, Fühlen und Spüren aus dem Alltagsbewusstsein verdrängt. Jeder Mensch engt und weitet sein Bewusstsein selbst. Die Mutigen öffnen ihr Bewusstsein willentlich in das wahre Erleben. Die Liebevollen haben Halt und Unterstützung bei Gleichgesinnten. Die Heilung des kollektiven Gemüts bringt zunächst aufgestaute Emotionen hervor, von daher ist es notwendig, gehalten zu sein, bei seinen Nächsten, in einem wahren und wirkungsvollen Kontakt zur eigenen Seele sowie in Verbundenheit mit dem Leben selbst. Der haltlose Mensch steckt ansonsten auftauchende Emotionen sofort wieder in ein anderes Einweckglas im eigenen Innern.

 

8. Wir halten unser Bewusstsein eng.

 

Wir westlichen Menschen können heil werden, doch nur kollektiv. Es braucht zu Beginn Liebende und Mutige, die das Gewahrsein finden, aus sich selbst heraus leben, das Gewahrsein halten und denen es gelingt, alle Widerstände und Emotionen, die sich nun auf sie richten, in der Weite ihres Herzens sein und ausklingen zu lassen.

 

Wir könnten ganz anders leben. Viel mehr Wahres zeigen und aussprechen. Viel tiefere Beziehungen zwischen Mann und Frau führen, viel mehr im Einklang mit der Natur und unserer menschlichen Natur leben, viel mehr Erfüllung erleben.

 

Wer hält uns davon ab?